Freitag, 9. August 2019

Zehn Mythen zur Probezeit (Fachanwalt Linder)

Um die Probe­zeit ranken sich einige Mythen, die oft einen Kern arbeits­recht­li­cher Wahr­heit in sich bergen.

Was Sie zur Probe­zeit und den mit ihr verbun­denen Konse­quenzen für das Arbeits­ver­hältnis wissen müssen, klärt der vorlie­gende Beitrag. 
 
Mythos 1: Während der Probe­zeit darf es keine Befris­tung geben

Auch während des Laufs der Probe­zeit kann eine Befris­tung verein­bart werden. Die Erpro­bung ist als Sach­grund gesetz­lich aner­kannt. Ihre Dauer darf aber nicht unan­ge­messen lang sein. Dies bedeutet, dass nur die zur Erpro­bung notwen­dige Dauer verein­bart werden darf. Wie aus der gesetz­ge­be­ri­schen Wertung hervor­geht, darf dabei die Dauer von sechs Monaten nicht über­schritten werden.

Mythos 2: Die Probe­zeit ist gesetz­lich vorge­schrieben

Die Probe­zeit ist nicht gesetz­lich vorge­schrieben. Es gibt aber gesetz­liche Vorgaben zu ihrer Ausge­stal­tung. So darf sie sechs Monate nicht über­schreiten (§ 622 Abs. 3 BGB). Das KSchG ist erst nach sechs Monaten anwendbar. In Ausbil­dungs­ver­hält­nissen muss nach § 20 BBiG die Probe­zeit mindes­tens einen Monat und darf höchs­tens vier Monate dauern.

Mythos 3: Die Kündi­gung in der Probe­zeit ist stets möglich

Während der ersten sechs Monate benö­tigt der Arbeit­geber keinen Kündi­gungs­grund. Es gilt der Grund­satz der Kündi­gungs­frei­heit. Erst dann ist der Arbeit­nehmer in Betrieben, die regel­mäßig mehr als zehn Arbeit­nehmer beschäf­tigen, durch das KSchG geschützt. Gleich­wohl sind zum Beispiel Schwan­gere, unab­hängig von der Verein­ba­rung einer Probe­zeit, vom ersten Tag der Beschäf­ti­gung an vor einer Kündi­gung geschützt. Für schwer­be­hin­derte und gleich­ge­stellte Arbeit­nehmer gilt der beson­dere Kündi­gungs­schutz aber erst nach sechs Monaten.

Mythos 4: In der Probe­zeit darf kein Urlaub genommen werden

Richtig ist, dass der volle Urlaubs­an­spruch erst­mals nach sechs­mo­na­tigem Bestehen des Arbeits­ver­hält­nisses erworben wird. Aber in jedem Monat wird ein Zwölftel des Jahres­ur­laubs erworben, den der Arbeit­nehmer in Absprache mit dem Arbeit­geber auch während der Probe­zeit nehmen kann. Manche Arbeit­geber sind sogar froh darüber, wenn sich nicht der gesamte Jahres­ur­laub auf die Zeit nach der Probe­zeit verla­gert.

Mythos 5: Eine Kündi­gungs­schutz­klage in der Probe­zeit ist erfolglos

Gene­rell hat der Arbeit­nehmer, der während der Probe­zeit gekün­digt wird, wegen der Unan­wend­bar­keit des KSchG schlech­tere Karten im Kündi­gungs­schutz­pro­zess. Aber auch während der Probe­zeit kann eine unter­blie­bene oder fehler­hafte Betriebs­rats­an­hö­rung oder eine falsche bzw. fehlende Unter­schrift unter dem Kündi­gungs­schreiben die Kündi­gung unwirksam machen und damit zum Erfolg der Klage führen.

Mythos 6: Am besten verhält man sich während der Probe­zeit ruhig

Das ist im Prinzip – oft auch nach Ablauf der Probe­zeit – nicht völlig verkehrt. Um sich auf den neuen Arbeits­platz einzu­stellen, kann es darüber hinaus sinn­voll sein, sich die Namen und Funk­tionen der neuen Kollegen, Merk­hilfen oder Fragen zu Betriebs­ab­läufen zu notieren und nach Feier­abend kurz Revue passieren zu lassen. Echtes Inter­esse an der Arbeit und am Team werden in der Regel positiv bewertet und helfen, die Probe­zeit zu über­stehen.

Mythos 7: Probe­zeit verlän­gert sich bei AU oder Urlaub des Arbeit­neh­mers

Das Wich­tigste vorab: Weder Urlaub noch Krank­heit verlän­gern auto­ma­tisch die verein­barte Probe­zeit. Eine Verlän­ge­rung über sechs Monate hinaus ist auch bei einver­nehm­li­cher Verein­ba­rung unwirksam. Möchte man schon im ersten Monat einen einwö­chigen Urlaub nehmen, so muss man dies mit dem Arbeit­geber abspre­chen.
Auch der Anspruch auf Entgelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall besteht schon in der Probe­zeit, aller­dings nicht in den ersten vier Wochen des Arbeits­ver­hält­nisses. In den ersten vier Wochen gibt es nur einen Anspruch auf Kran­ken­geld von der Kran­ken­kasse.

Mythos 8: Probe­zeit-Arbeit­nehmer dürfen sich zur Betriebs­rats­wahl aufstellen lassen

Für die Wahl des Betriebs­rats ist keine bestimmte Dauer der Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit notwendig. Arbeit­nehmer des Betriebs sind ab dem ersten Tag wahl­be­rech­tigt, wenn sie das 18. Lebens­jahr voll­endet haben (Aktives Wahl­recht). Etwas anderes gilt für Leih-Arbeit­nehmer. Diese dürfen nur wählen, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb einge­setzt werden. Inner­halb der Probe­zeit dürfen sich Arbeit­nehmer aber nicht zur Wahl stellen (Passives Wahl­recht). Das Recht, in den Betriebsrat gewählt zu werden, haben Arbeit­nehmer, die dem Betrieb sechs Monate ange­hören.

Mythos 9: Bei Leih-Arbeit­neh­mern gibt es keine Probe­zeit

Der Einsatz von Leih-Arbeit­neh­mern erfolgt aufgrund eines Über­las­sungs­ver­trags, der zwischen dem Verleiher und dem Entleiher geschlossen wird. Der Leih-Arbeit­nehmer hat spätes­tens nach neun Monaten Anspruch auf das gleiche Entgelt wie die Stamm­be­leg­schaft, Tarif­ver­träge können hiervon abwei­chen.

Mythos 10: Probe­zeit bei demselben Arbeit­geber geht nicht

Die Verein­ba­rung einer Probe­zeit bei demselben Arbeit­geber ist nur möglich, wenn sich die Tätig­keit so wesent­lich von der vorhe­rigen unter­scheidet, dass die Erpro­bung erfor­der­lich ist.
 

Ulf Linder 
Magister rer.​publ., Rechts­an­walt und Mediator
Fach­an­walt für Arbeits­recht
Fach­an­walt für Versi­che­rungs­recht
Fach­an­walt für Verwal­tungs­recht

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