Dienstag, 3. Dezember 2019

10 Antworten zum Weihnachtsgeld (Rechtsanwalt J. Boll)

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und das im Volks­mund bezeich­nete „Weih­nachts­geld“ steht bei vielen an.

 Im Arbeits­recht gibt es hierzu viele Begriffe: 13. Monats­ge­halt, Jahres­son­der­zah­lung, Grati­fi­ka­tion etc. Ganz abhängig davon, wie es in den Tarif- oder Arbeits­ver­trägen oder Betriebs­ver­ein­ba­rungen steht. So viel­fältig die Begriffe, so viel­fältig sind die Probleme rund um das Thema: Haben zum Beispiel kranke Arbeit­nehmer einen Anspruch? Was gilt bei den Empfän­gern von Mindest­lohn? Nach­fol­gend Antworten auf die 10 wich­tigsten Fragen. 
 
1. Wann kann das Weih­nachts­geld entfallen?
Gene­rell ist eine „Jahres­ab­schluss­gra­ti­fi­ka­tion”, egal wie sie genannt wird, nicht als gewinn­ab­hän­gige Leis­tung des Arbeit­ge­bers zum Jahres­ab­schluss zu verstehen. Die Jahres­ab­schluss­gra­ti­fi­ka­tion ist regel­mäßig keine persön­liche Leis­tungs­zu­lage, die jeweils indi­vi­duell leis­tungs­ab­hängig vom Arbeit­geber fest­ge­setzt wird. Viel­mehr wird die Jahres­ab­schluss­gra­ti­fi­ka­tion/Sonder­zu­wen­dung/Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­tion etc. vom Arbeit­geber gezahlt, um damit zum Jahres­ab­schluss die Leis­tungen der Arbeit­nehmer im vergan­genen Jahr zusätz­lich abzu­gelten. Ein Anspruch auf diese Zahlung besteht damit unab­hängig von der Gewinn­si­tua­tion und der indi­vi­du­ellen Leis­tungs­be­reit­schaft der Arbeit­nehmer.

Wenn ein Unter­nehmen wirt­schaft­liche Schwie­rig­keiten hat, kann es mit dem Betriebsrat verein­baren, dass das Weih­nachts­geld wegfällt oder redu­ziert wird. Der Arbeit­geber allein darf in solchen Fällen das Weih­nachts­geld nicht kürzen oder strei­chen. Das rich­tige Mittel zur Umset­zung sind Betriebs­ver­ein­ba­rungen mit dem Betriebsrat oder Sanie­rungs­ta­rif­ver­träge mit der Gewerk­schaft

2. Wann kann der Arbeit­geber das Weih­nachts­geld zurück­ver­langen?
Zunächst: Viel­fach soll mit der Jahres­son­der­zah­lung auch die weitere Betriebs­treue der Arbeit­nehmer belohnt werden. Die Sonder­zu­wen­dung hat deshalb oft einen Misch­cha­rakter. Soll neben der vergan­genen Betriebs­treue auch noch die zukünf­tige Betriebs­treue geför­dert werden, wird dies zumeist dadurch sicher­ge­stellt, dass der Arbeit­geber ein unge­kün­digtes Arbeits­ver­hältnis zu einem Stichtag verlangt (z. B. der 31.3. des Folge­jahres) und eine Rück­zah­lungs­klausel bei vorzei­tigem Ausscheiden verein­bart.

Gene­rell kann eine Rück­zah­lung nur bei Weih­nachts­gel­dern mit ausschlie­ß­li­chem Beloh­nungs­cha­rakter gefor­dert werden. Und auch nur dann, wenn eine wirk­same Rück­zah­lungs­klausel verein­bart wurde, die eindeutig und trans­pa­rent sein muss. Zudem gibt es eine konkrete Grenze: Ein Weih­nachts­geld von unter 100 EUR muss man gene­rell nicht zurück­zahlen.

3. Wie kann man Weih­nachts­geld einfor­dern?
Wer die Grati­fi­ka­tion nicht bekommt, sollte sie schrift­lich einfor­dern und eine Frist setzen. Häufig genügt es, auf ein Gerichts­ur­teil zu verweisen, damit der Arbeit­geber einlenkt. In den meisten Fällen führt ein Streit um das Weih­nachts­geld nicht vor das Arbeits­ge­richt.

4. Kann der Arbeit­geber das Weih­nachts­geld einfach weglassen?
Die Jahres­son­der­zu­wen­dung ist trotz ursprüng­li­cher Frei­wil­lig­keit kein Geschenk des Arbeit­ge­bers. Die Sonder­zu­wen­dung hat eher einen Entgelt­cha­rakter. Die Beto­nung der Frei­wil­lig­keit führt nicht auto­ma­tisch dazu, dass der Arbeit­geber die Zahlung jeder­zeit einstellen könnte. Dies ist nur der Fall, wenn der Arbeit­geber zusätz­lich einen wirk­samen Wider­rufs­vor­be­halt für die Zukunft verein­bart hat oder jedes Jahr nur eine einma­lige Leis­tung erbringt.

5. Gibt es Weih­nachts­geld, weil es alle anderen erhalten?
Ja, wenn alle Arbeit­nehmer oder zumin­dest alle Arbeit­nehmer einer bestimmten Gruppe Weih­nachts­geld nach bestimmten Krite­rien erhalten, ergibt sich in der Regel ein Anspruch ohne ausdrück­liche Verein­ba­rung für alle, die zu dieser Gruppe gehören. Dazu muss nicht einmal eine betrieb­liche Übung bestehen.

6. Gibt es Ausnahmen?
Der Arbeit­geber kann einzelnen Arbeit­neh­mern oder einzelnen Gruppen von Arbeit­neh­mern das Weih­nachts­geld nur mit trif­tigen sach­li­chen Gründen verwehren. Solche Gründe hängen immer vom Zweck der Zahlung ab, zum Beispiel der Dauer der Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit oder etwaigen Fehl­zeiten, auch wegen Krank­heit. Da entscheiden manche Arbeit­geber, kein oder weniger Weih­nachts­geld zu zahlen.
Es wird teil­weise mehr als üblich gezahlt, beispiels­weise Verhei­ra­teten mehr als Ledigen, Fami­lien mit vielen Kindern mehr als solchen ohne. Diese Ungleich­be­hand­lung muss zum einen jedoch im Einzel­fall ange­messen, zum anderen vorher klar, bestimmt und abstrakt-gene­rell für die Beleg­schaft erkennbar gere­gelt sein.
Bei wech­selnder Höhe des Weih­nachts­gelds gilt: Zahlt der Arbeit­geber das Weih­nachts­geld dreimal vorbe­haltlos, jeweils zum Jahres­ende und in jähr­lich unter­schied­li­cher Höhe, so hat der Arbeit­nehmer einen Anspruch darauf, in jedem Jahr eine solche Sonder­zah­lung zu erhalten.

7. Was gilt bei Teil­zeit­be­schäf­tigten?
Das Weih­nachts­geld berechnet sich bei Teil­zeit anteilig – im Verhältnis der jewei­ligen redu­zierten Arbeits­zeit zur Voll­zeit­be­schäf­ti­gung. Das gilt auch für gering­fügig Beschäf­tigte. Nicht zulässig ist eine tarif­liche Rege­lung, die eine Kürzung des Weih­nachts­gelds um 1.000 EUR sowohl für Voll­zeit- als auch Teil­zeit­be­schäf­tigte vorsieht.

Das BAG entschied hierzu: „Eine tarif­liche Rege­lung, die eine Kürzung des Weih­nachts­gelds um 1.000 DM einheit­lich für Voll- und Teil­zeit­be­schäf­tigte vorsieht, führt zu einer Benach­tei­li­gung der Teil­zeit­be­schäf­tigten i. S. d. § 2 Abs. 1 BeschFG. Der Verstoß gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot führt zur Unwirk­sam­keit dieser tarif­li­chen Berech­nungs­weise und damit zur Wieder­her­stel­lung der tarif­li­chen Grund­re­ge­lung, wonach Teil­zeit­be­schäf­tigte einen Anspruch auf ein Weih­nachts­geld haben, das sich nach dem Verhältnis ihrer vertrag­li­chen Arbeits­zeit zur tarif­li­chen Arbeits­zeit eines entspre­chenden Voll­zeit­be­schäf­tigten bemisst.“

8. Weih­nachts­geld und tarif­li­cher Mindest­lohn: Wie geht das?
Arbeit­geber dürfen das Weih­nachts­geld nur dann auf den gesetz­li­chen Mindest­lohn anrechnen, wenn das Weih­nachts­geld in jedem Monat zu 1/12 als Entgelt für tatsäch­liche Arbeits­leis­tungen vorbe­haltlos und unwi­der­ruf­lich gezahlt wird. Hierzu das BAG:
  • Einmal­zah­lungen wie      Urlaubs- und Weih­nachts­geld sind anre­chenbar, sofern die      Normal­ar­beits­leis­tung vergütet werden soll. Jedoch nur in dem Monat, in      dem die Zahlung erfolgt und auch nur, wenn die Zahlung vom Arbeit­geber      nicht zurück­ge­for­dert werden kann, etwa bei vorzei­tigem Ausscheiden des      Arbeit­neh­mers. Ist durch Betriebs­ver­ein­ba­rung die Sonder­zah­lung ratier­lich      jeden Monat gezahlt worden, ist sie anre­chenbar.

  • Wird die Einmal­zah­lung      ohne Rück­sicht auf die erbrachte Arbeits­leis­tung geleistet, ist diese nach      BAG unter Umständen nicht anre­chenbar. Ob damit auch solche Leis­tungen      gemeint sind, die selbst dann geschuldet sind, wenn der Arbeit­nehmer      dauer­haft arbeits­un­fähig krank ist und keinen Anspruch auf      Entgelt­fort­zah­lung nach EFZG hat, ist zurzeit offen.
9. Der Arbeit­nehmer ist krank: Weih­nachts­geld kürzen?
Erkrankte haben Anspruch auf Weih­nachts­geld, sofern der Arbeits- oder Tarif­ver­trag nicht Kürzung bzw. Wegfall vorsieht. Im Falle einer langen Erkran­kung kann der Anspruch auf Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­tion unter bestimmten Umständen entfallen, wenn er auf einer betrieb­li­chen Übung beruht und ohne beson­dere Leis­tungs­vor­aus­set­zungen oder -einschrän­kungen gezahlt wurde.

10. Gibt es Weih­nachts­geld für eine Arbeit­neh­merin im Mutter­schutz?
Ein Arbeit­geber darf das Weih­nachts­geld, das als 13. Monats­ge­halt gewährt wird, nicht anteilig kürzen, weil eine Beschäf­tigte in Mutter­schutz ist. Es ist unzu­lässig, in den Arbeits­ver­trag zu schreiben, dass sämt­liche Zeiten, in denen Beschäf­tigte ihre Arbeits­leis­tung nicht erbringen, zu einer zeit­an­tei­ligen Minde­rung des Anspruchs auf das Weih­nachts­geld führen. Denn das umfasst eben­falls die Zeiten, in denen eine Mutter vor und nach der Entbin­dung nicht beschäf­tigt werden darf.

Johannes Boll 
Rechts­an­walt

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