Mittwoch, 22. Juli 2020

Jobcenter muss keine Miete für Scheinverträge zahlen (Fachanwältin Göksu)

Das Jobcenter muss nur dann Miete für Grund­si­che­rungs­emp­fänger über­nehmen, wenn die tatsäch­li­chen Kosten offen­ge­legt werden.



Wie verdeckte Miet­ver­hält­nisse unter Verwandten zu beur­teilen sind, hatte das Landes­so­zi­al­ge­richt Nieder­sachsen-Bremen (LSG) zu entscheiden. Zugrunde lag das Verfahren einer Familie mit vier Kindern aus Hannover, die in den Land­kreis Nort­heim gezogen war. Zuvor hatte sie beim Jobcenter ein Miet­an­gebot über die neue Wohnung vorge­legt, das sich auf rund 1.070 EUR belief.
Das Jobcenter teilte dazu mit, dass der Miet­preis für eine 120 m2-Wohnung in dörf­li­cher Lage unan­ge­messen sei. Daraufhin änderte der in Moskau wohn­hafte Vermieter das Angebot kurz­fristig auf 750 EUR ab. Auch die Wohn­fläche war mit 130 m2 nicht mehr die gleiche. Das Jobcenter wurde hell­hörig und stellte fest, dass der Vermieter der Vater der aus Russ­land stam­menden Frau ist, die das Haus in seinem Namen erworben hatte. Die Über­nahme der Miet­kosten wurde deshalb von der Vorlage von Zahlungs­nach­weisen abhängig gemacht.


Hier­gegen hat die Familie einen Eilan­trag gestellt. Sie hat sich auf drohende Obdach­lo­sig­keit berufen und vorge­tragen, dass der Vermieter mit Kündi­gung wegen Zahlungs­rück­ständen gedroht habe. Die Miete solle direkt auf ein Konto in Moskau über­wiesen werden.


Das LSG hat die Rechts­auf­fas­sung des Jobcen­ters über­wie­gend bestä­tigt.
Die Familie müsse die tatsäch­li­chen Kosten offen­legen. Sie könne nicht ledig­lich auf den Miet­ver­trag verweisen, da es sich wegen vieler Indi­zien um einen Schein­ver­trag handele. Es sei nicht markt­üb­lich, dass ein Miet­an­gebot ohne Weiteres um ca. 30 Prozent herab­ge­setzt werde. Die redu­zierte Miete sei auch nicht – wie die Familie meinte – beson­ders günstig. Die Immo­bilie habe ledig­lich 80.000 EUR gekostet und hätte sich damit in wenigen Jahren refi­nan­ziert. Wider­sprüch­lich sei auch das Vorbringen zu den Zahlungs­mo­da­li­täten. Denn wenn der angeb­liche Vermieter auch Barzah­lung bei Besu­chen in Deutsch­land akzep­tierte, so seien Mahnung und Kündi­gungs­dro­hung schon vor seiner Anreise nicht nach­voll­ziehbar.


LSG Nieder­sachsen-Bremen, Beschluss vom 25.5.2020, L 11 AS 228/20 B ER

Öncü Göksu 
Rechts­an­wältin
Fach­an­wältin für Miet- und WEG-Recht

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